Man liest es oft. Vor allem auf Webseiten von Strafverteidiger wird das zwischenzeitlich geflügelte Wort aus dem Handbuch des Strafverteidigers von Hans Dahs gern zitiert.
Denn dort heißt es einleitend:
“Verteidigung ist Kampf. Kampf um die Rechte des Beschuldigten im Widerstreit mit den Organen des Staates, die dem Auftrag zur Verfolgung von Straftaten zu genügen haben. Im Strafverfahren bringt der Staat gegen persönliche Freiheit und Vermögen des Einzelnen seine Machtmittel mit einer Wucht zum Einsatz wie in keinem anderen Bereich des gesellschaftlichen Lebens.”
Manchmal geht es bei den Kämpfen etwas unsauber zu. Das folgende Beispiel gehört zu diesen etwas unschönen Auseinandersetzungen.
Doch zunächst zu den Basics. Das Regelwerk für die Verteidigung wird bestimmt durch die Rechte des Beschuldigten aus dem Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention und nicht zuletzt präzisierend aus der Strafprozessordnung (StPO).
Entsprechend gehört zur Verteidigung die umfassende Information des Beschuldigten. Nur hierdurch kann mit diesem eine effektive Strategie abgestimmt und dem Betroffenen eines Strafverfahrens die Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Teilhabe an diesem gesichert werden. Die Grenzen werden grundsätzlich nur insoweit und ausnahmsweise gesetzt, wie eine Offenbarung des Akteninhalts den (noch laufenden) Untersuchungszweck gefährden könnte. Um es mit verständlichen Worten auszudrücken: Es ist grundsätzlich die Pflicht des Verteidigers, seinem Mandanten alle ihm zugeleiteten Informationen zukommen zu lassen, soweit diese für die Verteidigung relevant sein können bzw. Bezug zu dieser haben. Hierzu gehören auch Informationen, die z.B. die Glaubwürdigkeit von Zeugen betreffen.
Manche Staatsanwaltschaften sehen das jedoch anders und führen gegen die Verteidiger Grabenkämpfe durch die Instanzen. So auch im oben angekündigten Beispiel, dem ein Beschluss des OLG Karlsruhe vom 03.02.2014 (Az.: 2 (6) SsBs 628/13; 2(6) SsBs 628/13 – AK 166/13) zugrunde liegt. Im Fall führte die Staatsanwaltschaft ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Verteidiger, da dieser an seinen in Untersuchungshaft sitzenden Mandanten einen Brief der Hauptbelastungszeugin weiterleitete. In diesem steht zwar nichts zur Tat an sich, jedoch ergaben sich aus dessen Inhalt wichtige Anhaltspunkte auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Das OLG entschied im genannten Beschluss für den Verteidiger und führt aus (uns bestätigt damit die 1. Instanz):
“Entgegen der mit der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung war die Weitergabe des Briefes durch den Betroffenen nicht unbefugt i.S.d. § 115 Abs. 1 OWiG. Vielmehr war das Handeln des Betroffenen durch § 148 Abs. 1 StPO gedeckt, wonach dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet ist.
Da ein ungehinderter Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer wirksamen Strafverteidigung gehört (vgl. BVerfG NJW 2007, 2749 <2750>; 2010, 1740 <1741>), muss die Verteidigung von jeder Behinderung oder Erschwerung freigestellt, der Anwalt wegen seiner Integrität als Organ der Rechtspflege jeder Beschränkung enthoben sein (BGHSt 27, 260 <262>; 53, 257 <261>; NJW 1973, 2035). Allerdings ist der Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nur für die Zwecke der Verteidigung frei. Das Verteidigerprivileg des § 148 Abs. 1 StPO ist deshalb auf solchen Verkehr beschränkt, der unmittelbar der Vorbereitung oder Durchführung der Verteidigung dient, und umfasst daher nur Schriftstücke, die unmittelbar das Strafverfahren betreffen (BVerfG NJW 2010, 1740; BGHSt 26, 304; OLG Dresden NStZ 1998, 535; LG Tübingen NStZ 2008, 643; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 115 Rn. 21; Rogall in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, §115 Rn. 33; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 3. Aufl., § 115 Rn. 24; krit. Wieder StV 2010, 146).
Der vom Betroffenen übermittelte Brief wies indes einen solchen direkten Bezug zur Verteidigung auf. Zwar hatte sich das mutmaßliche Opfer darin nicht zu dem Vergewaltigungsvorwurf selbst geäußert. Die in dem Schreiben zum Ausdruck gebrachte positive Einstellung der Absenderin gegenüber dem Adressaten war jedoch – insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil an – für die Glaubhaftigkeit der Aussage des mutmaßlichen Tatopfers und damit für die Beurteilung des dem Beschuldigten gemachten Tatvorwurfs, der maßgeblich auf den Angaben des mutmaßlichen Tatopfers beruhte, von Bedeutung und betraf deshalb unmittelbar die Verteidigung des Beschuldigten gegen diesen Tatvorwurf.”
OLG Karlsruhe vom 03.02.2014 – Az.: 2 (6) SsBs 628/13; 2(6) SsBs 628/13 – AK 166/13
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